Zusammenfassung Hintergrund. 10% aller Sars-CoV-2-Infizierten leiden an postinfektiösen Beschwerden. Long COVID bzw. ein Post-COVID-19-Zustand kann sämtliche Organsysteme betreffen und bis zur vollständigen Pflegebedürftigkeit führen. 10-50% aller Betroffenen erfüllen die Diagnosekriterien für eine Myalgische Enzephalomyelitis/ein Chronisches Fatigue Syndrom. Behandlungsempfehlungen beschränken sich bislang auf Belastungsmanagement sowie symptomatische und psychologische Maßnahmen. Erste Untersuchungen von Betroffenenperspektiven geben Hinweise auf eine unzureichende Anerkennung und Versorgung der Erkrankung. Methode. Seit Juni 2023 können Long COVID-Betroffene und deren Angehörige ihre Versorgungserfahrungen im Rahmen eines vom Bundesministerium für Gesundheit geförderten Projektes telefonisch oder online über ein Berichtsformular der Techniker Krankenkasse und der Deutschen Gesellschaft für Patientensicherheit melden. Von 1216 bis Dezember 2023 eingegangenen Berichten wurden 264 inhaltlich repräsentative Fälle ausgewählt und anhand einer strukturierenden und zusammenfassenden Inhaltsanalyse ausgewertet. Ziel war, das Erleben Betroffener in Bezug auf Versorgungsbarrieren und deren Auswirkungen nachzuvollziehen. Ergebnisse. Im vierten Jahr nach Pandemiebeginn fehlt es aus Sicht Long COVID-Betroffener an Versorgungsstrukturen und kompetenten Ansprechpartnern aufseiten der Leistungserbringer und Leistungsträger. Spezialambulanzen für postvirale Syndrome sind für die Mehrheit der Befragten entweder nicht erreichbar, nehmen keine neuen Patienten auf oder haben Wartezeiten von bis zu zwei Jahren. Abgesehen davon, dass es bislang keine ursächlich wirksamen Therapien für Long COVID gibt, berichten 85 % der Befragten, dass medizinische oder soziale Ansprechpersonen nicht ausreichend über das Krankheitsbild informiert sind. 80 % geben an, dass ihre Beschwerden nicht ernst genommen und/oder als psychosomatisch eingestuft wurden. In der Folge werden Betroffene nicht oder falsch behandelt und/oder erhalten keine angemessenen Sozialleistungen. Die Psychologisierung postviraler Symptome wird als stigmatisierend und als Hauptursache für die prekäre Versorgungssituation von Menschen mit Long COVID beschrieben. Diskussion. In der Schulmedizin wurden postvirale Syndrome bis dato als funktionelle, somatoforme bzw. psychosomatische Erkrankungen definiert. Als Ursachen gelten Störungen der Psyche oder des Verhaltens. Dem folgend fehlt es an adäquaten Versorgungskonzepten und -strukturen für Long COVID-Erkrankte. Die vorliegenden Daten geben zudem Hinweise auf eine systematische Stigmatisierung und Diskriminierung Betroffener. Die Generalisierbarkeit der Ergebnisse ist limitiert. Schlussfolgerungen. Um Menschen mit Long COVID eine adäquate medizinische und soziale Versorgung zu gewährleisten, sind eine zügige Aus- und Weiterbildung aller beteiligten Akteure sowie die Entwicklung und der Ausbau spezifischer Versorgungsangebote dringend erforderlich. Schlüsselwörter Long COVID, Post COVID, Qualitative Forschung, Versorgungsforschung, Patientenperspektive